Weltweit versuchen Wissenschaftler, die Eis- und Wettervorhersage für die Polargebiete, insbesondere die Arktis, zu verbessern. Zum einen, weil die Arktis mit dem Abtauen des Meereises als Schifffahrtsroute interessant wird, zum anderen, weil die Bedingungen in der Arktis auch das Wetter und Klima in den gemäßigten Breiten - zum Beispiel in Mitteleuropa und in Nordamerika - beeinflussen.
Ein Problem besteht darin, dass aus der Arktis viel zu wenige Messwerte vorliegen. Im internationalen Projekt "Year of Polar Prediction" (YOPP) sollen deshalb mit intensiven Messkampagnen, mithilfe von Schiffsexpeditionen, Messflügen oder Messstationen im Eis, viele neue Daten gesammelt werden. Damit will man vor allem herausfinden, welche Messwerte für die Eis- und Wettervorhersage und die Klimamodellierung in den Polargebieten besonders wichtig sind.
Auch wollen die Forscher wissen, wann und wo man künftig idealerweise Messungen durchführen sollte, die besonders repräsentativ für die Situation in den Polargebieten sind. Meteorologen hoffen beispielsweise, künftig zeitnahe Vorhersagen über die Eisbedeckung machen zu können, für einen Zeitraum von einer Stunde bis zu einem halben Jahr im Voraus. Forscher wie Helge Gößling versprechen sich davon neue Erkenntnisse über die physikalischen Prozesse in der Arktis und Antarktis. "Mit diesem Wissen können wir die Berechnung dieser Prozesse in unseren Wetter- und Klimamodellen verbessern", sagt er.
Helge Gößling betritt mit dem Projekt zum Teil Neuland, denn kurzfristige Vorhersagen gehören in der Regel nicht zu den Aufgaben eines Klimamodellierers. Meteorologen speisen in ihre Computer aktuelle Wetterdaten der vergangenen Tage ein, um daraus auf das Wetter der nächsten Tage zu schließen. Klimamodelle hingegen berechnen lange Zeiträume. Sie liefern keine Wetterdaten für einen bestimmten Tag, sondern vielmehr Wahrscheinlichkeiten - beispielsweise über die Lage und Ausdehnung von Tiefdruckgebieten."Für uns ist es eine Herausforderung, in die eher kurzfristige Vorhersage der Eisbedeckung in der Arktis einzusteigen", sagt Helge Gößling.
Weil die Klimamodelle lange Zeiträume überblicken, speichern sie Wetterdaten in der Regel gar nicht für einzelne Tage ab. Vielmehr erzeugen sie monatliche Mittelwerte. Für Meteorologen ist es selbstverständlich, mit tagesaktuellen Werten zu arbeiten. Klimamodellierer hingegen müssen zunächst ein Software-Werkzeug bauen, um aktuelle Eis- oder Wetterdaten in ihr Klimamodell einspeisen zu können - zu "assimilieren". "Diese Datenassimilation ist eine Kunst für sich", sagt Helge Gößling, der sein Klimamodell im Rahmen des YOPP soweit bringen will, dass es die Eisbedeckung ein halbes Jahr im Voraus möglichst gut vorhersagen kann.
Letztlich geht es ihm aber nicht um regelmäßige Vorhersagen mit dem eigenen Modell. Das bleibt Aufgabe der Vorhersagezentren, die stark am YOPP beteiligt sind. "Durch die enge internationale Zusammenarbeit zwischen Vorhersagezentren und Klimaforschern können beide ihre Modelle und Vorhersagesysteme verbessern, als jede Gruppe allein", sagt Helge Gößling.