Doch ganz gleich, ob dem Polardorsch das schwindende Eis zum Nachteil gereicht oder nicht, die zentrale Rolle für das Überleben in der Arktis und Antarktis spielen die sogenannten Eisalgen - also Algen, die im Meereis und an dessen Unterseite leben. Was macht sie so besonders? AWI-Biologin Ilka Peeken: „Wie überall auf der Welt gibt es auch in den arktischen und antarktischen Gewässern Algen, die als Phytoplankton frei im Wasser schweben. Solange aber ein Eispanzer auf dem Wasser treibt, fehlt diesen Arten ausreichend Licht, um zu wachsen. Eislagen jedoch kommen im Halbdunkel unter dem Eis bestens zu recht.“
Wie Farne, die im Schatten der Bäume im Wald gut wachsen können, genügt den einzelligen Eisalgen bereits wenig Licht. Jede von ihnen kann sich alle zwei Tage teilen. So wächst eine Algenmenge von ursprünglich 200 Gramm in vier Tagen zu einem Kilo Algen heran. Geballt bilden sie an der Unterseite des Eises regelrechte Algenteppiche; ein idealer Fraßplatz für Flohkrebse, Ruderfußkrebse, Krill und andere Tiere.
Das Leben im Halbdunkel des Eises hat für die Eisalgen aber auch Vorteile. Zwar gibt es unter den Eisschollen von Arktis und Antarktis nur wenig Licht – wenn, dann jedoch in relativ gleichbleibenden Mengen. Denn anders als das Phytoplankton im eisfreien Wasser werden die Eisalgen nicht durch Strömungen oder Wellenspiel in die dunkle Tiefe gezogen.
Die Eisalgen kleben allerdings nicht nur an der Schollenunterseite. Die AWI-Forscher finden sie auch direkt im Meereis, in winzigen Porengängen und Kanälen, die entstehen, wenn das Meerwasser gefriert. Bilden sich die ersten Eiskristalle, schließen diese das im Wasser enthaltene Salz nicht mit ein. Es sammelt sich stattdessen zwischen den Eiskristallen, bildet die besagten Gänge und Kanäle und sickert am Ende an der Eisunterseite ins Meer.
Doch wie gelangen die Eisalgen in diese Solekanäle? Sie heften sich schon beim ersten Gefrieren in den Solekanälen fest und trotzen dann sowohl den extrem kalten Temperaturen als auch dem hohen Salzgehalt. Zum Vergleich: Die Meereis-Sole kann bis zu sechsmal salziger als sein Nordseewasser. Doch auch das ertragen die Algen.