Bremerhaven, den 1. Dezember 2011. Das Ende der letzten Eiszeit und die Prozesse, die zum Schmelzen der nördlichen und südlichen Eisschilde geführt haben, liefern grundlegende Informationen über die Veränderung unseres Klimas. Obwohl die maximale Ausdehnung der Eisschilde während der letzten Eiszeit in der Nordhemisphäre relativ gut bekannt ist, gibt es bisher wenig verlässliche Angaben zur Ausdehnung der Antarktischen Eisschilde. Eine in der Fachzeitschrift “Science” am 1. Dezember erscheinende Veröffentlichung liefert nun Hinweise darauf, dass beide Hemisphären nahezu zeitgleich ihre maximale Eisschild-Ausdehnung erreicht hatten und vor 19000 Jahren zu schmelzen begannen.
„Der Rückzug der Antarktischen Eisschilde begann somit fast 5000 Jahre früher als bisher angenommen, wobei unsere Untersuchungen große regionale Unterschiede zeigen und belegen, wie wichtig Tiefwasserarchive sind“, sagt der Erstautor der Studie, Dr. Michael Weber vom Geologischen Institut der Universität Köln.
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Antarktis klimatisch nicht so isoliert ist wie bisher angenommen", ergänzt Dr. Gerhard Kuhn vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft. "Wir müssen jetzt davon ausgehen, dass die großen Eisschilde in Arktis und Antarktis zeitlich enger gekoppelt auf Klimaänderungen reagieren als gedacht. Zumindest ist es während der letzten Eiszeit so gewesen."
Dieses zeitgleiche Schmelzen wurde vermutlich durch Änderungen des globalen Meeresspiegels und der Tiefenwasserzirkulation im Atlantischen Ozean verursacht. Dadurch gelangte wärmeres Wasser an den Antarktischen Kontinentalrand. Dieser frühe Eisrückzug belegt eine bisher nicht vermutete Instabilität des Ostantarktischen Eisschilds. „Davon werden auch Prognosen des künftigen Meeresspiegelanstiegs, der durch den Klimawandel hervorgerufen wird, angepasst werden müssen“, erläutert Dr. Weber.
"Unsere Untersuchung macht aber auch deutlich, wie wichtig der Rückgriff auf lange Datenreihen, gute Archive und qualitativ hochwertige wissenschaftliche Datenbanken ist", nennt Gerhard Kuhn zentrale Voraussetzungen für klimageschichtliche Rekonstruktionen. "Nur weil wir im Alfred-Wegener-Institut auf langfristig archivierte Sedimentkerne und ein über Jahrzehnte aufgebautes wissenschaftliches Datenarchiv zurückgreifen können, sind solche vergleichenden Studien überhaupt möglich. Einige der jetzt untersuchten Sedimentkerne beispielsweise wurden von unserem Forschungsschiff "Polarstern" bereits in den Jahren 1987 und 1990 genommen."
An den Forschungsarbeiten waren Wissenschaftler des Geologischen Instituts der Universität Köln (Dr. Michael Weber, Erstautor), des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft (Dr. Gerhard Kuhn, Koordinator), der Oregon State University und der Harvard University beteiligt. Die Untersuchungen wurden u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert.
Hinweise für Redaktionen: Ihr Ansprechpartner im Alfred-Wegener-Institut ist Dr. Gerhard Kuhn (Tel.: 0471 4831-1204; E-Mail: Gerhard.Kuhn@awi.de), in der Pressestelle Ralf Röchert (Tel.: 0471 4831-1680; E-Mail: Ralf.Roechert@awi.de). Dr. Kuhn ist vom 02.12. bis zum 11.12. auf einer Auslandsreise in den USA und in dieser Zeit nur per E-Mail erreichbar.
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 17 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.