Bremerhaven/Potsdam, den 7. November 2011. Heute treffen sich Forscher aus elf Nationen in Potsdam zur Auftaktveranstaltung für ein neues, vierjähriges EU-Projekt. Was passiert, wenn die großen Mengen gebundenen Kohlenstoffs aus arktischen Böden in die Atmosphäre gelangen? Dies ist die Leitfrage, der Feldforscher, Betreiber von Langzeitobservatorien und Modellierer von 18 Partnereinrichtungen im Projekt PAGE21 nachgehen, das aus Mitteln der Europäischen Union gefördert wird. Indem sie die Expertise ihrer Fachrichtungen bündeln, wollen die Wissenschaftler wertvolle Grundlagen für den fünften Weltklimabericht der Vereinten Nationen liefern.
„Ich freue mich sehr auf die eng vernetzte Zusammenarbeit der führenden Köpfe der europäischen Permafrostforschung in der Arktis“, sagt Prof. Dr. Hans-Wolfgang Hubberten von der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Mineraloge leitet das Projekt namens PAGE 21, das einen Umfang von fast 10 Millionen Euro hat und mit knapp 7 Millionen Euro aus dem siebten Rahmenprogramm der Europäischen Union gefördert wird. Es steht für Changing Permafrost in the Arctic and its Global Effects in the 21st Century, also Veränderungen im arktischen Permafrost und die globalen Auswirkungen im 21. Jahrhundert. „Wir müssen unser Grundlagenwissen über die physikalischen und biogeochemischen Prozesse verbessern, um zuverlässigere Prognosen für die zukünftige weltweite Klimaentwicklung liefern zu können“, so Hubberten weiter.
Etwa 50 Prozent des weltweit unterirdisch vorkommenden organischen Kohlenstoffs lagert in den nördlichen Permafrostregionen. Das ist mehr als die doppelte Menge des derzeit in der Atmosphäre vorhandenen Kohlenstoffs, der dort beispielsweise in Form der Klimagase Kohlendioxid und Methan auftritt. Gleichzeitig wirkt sich der Klimawandel in der Arktis besonders stark und rasch aus. So taut der Permafrostboden auf und setzt zusätzlich Klimagase frei, die diesen Effekt noch verstärken können.
Viele dieser Mechanismen sind für sich betrachtet grundlegend gut verstanden. Geht es aber um die Quantifizierung einzelner Prozesse, wird die Datenlage dünner. Also sind zunächst die Feldforscher gefragt: Sie stülpen beispielsweise in Sibirien Messgeräte über definierte Flächen von Permafrostboden und messen die austretenden Gase, wenn der Boden im Sommer auftaut. Um die zeitliche Entwicklung und saisonale Variationen zu erfassen, muss dies wiederholt stattfinden und möglichst weite Bereiche sowie auch möglichst lange Zeiträume eines Jahres abdecken. Standardisierte Methoden aller Partner sollen zusätzlich die Vergleichbarkeit der Daten erhöhen. So wollen die Projektpartner von PAGE21 qualitativ hochwertige Datensätze erstellen.
Diese Datensätze aus dem Permafrost bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung globaler Klimamodelle. „Die heute verwendeten Modelle haben häufig noch Ungenauigkeiten, weil die Permafrostregionen mit all ihren Rückkopplungsmechanismen unterrepräsentiert sind“, sagt Hubberten. Im Rahmen von PAGE21 sollen jetzt dringend notwendige Schritte getan werden, um die Modelle zu verbessern. Sie liefern die Grundlage für Vermeidungs- und Anpassungsstrategien, die auf die Gesellschaft im 21. Jahrhundert zukommen.
Hintergrundinformationen:
Projekttitel: Changing Permafrost in the Arctic and its Global Effects in the 21st Century
Instrument: 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union
Gesamtkosten: 9.269.927 €
EU Anteil: 6.951.895 €
Dauer: 48 Monate
Start: 1. November 2011
Projektkoordinator: Prof. Hans-Wolfgang Hubberten, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Partner: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Deutschland), The University Centre in Svalbard (Norway), Stockholms Universitet (Sweden), Vrije Universiteit Amsterdam (Netherlands), Technical University of Vienna (Austria), Université Joseph Fourier, Grenoble (France), University of Exeter (UK), Max-Planck-Gesellschaft (Germany), Lund University (Sweden), University of Copenhagen (Denmark), University of Hamburg (Germany), Commissariat à l'Energie Atomique et aux Energies alternatives (France), Met Office, for and on behalf of the Secretary of State for the Defence of the United Kingdom, Great Britain and Northern Ireland (UK), Finnish Meteorological Institute (Finland), University of Eastern Finland (Finland), Institute for Biological Problems of Cryolithozone (Russia), Arctic Portal (Iceland), Moscow State University (Russia).
Hinweise für Redaktionen: Ihre Ansprechpartner an der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts sind Prof. Dr. Hans-Wolfgang Hubberten (Tel.: 0331 288-2100; E-Mail: Hans-Wolfgang.Hubberten@awi.de), Dr. Julia Boike (Tel.: 0331 288-2119; E-Mail: Julia.Boike@awi.de und Dr. Hugues Lantuit (0331 288-2216; E-Mail: Hugues.Lantuit@awi.de). Ihre Ansprechpartnerin in der Abteilung Kommunikation und Medien ist Folke Mehrtens (Tel.: 0471 4831-2007; E-Mail: Folke.Mehrtens@awi.de).
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 17 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.