25. November 2005
Pressemitteilung

Harmonien im Eis

Vibrationen eines Eisbergs registrierten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung und der Firma Fielax mit Seismographen an der Neumayer Station in der Antarktis. Die aufgezeichneten Schwingungen bilden harmonische Klänge mit bis zu 30 Obertönen, die jedoch aufgrund der Tontiefe für das menschliche Ohr nicht hörbar sind. Die Daten könnten zu einem besseren Verständnis der Vorgänge in Vulkanen verhelfen, da dort ähnliche Schwingungsmuster auftreten.

Ergebnisse könnten auch Vulkanologen helfen
Die Ergebnisse ihrer Messungen analysieren die Forscher jetzt in einer im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichten Studie. Anfänglich wurde vulkanische Aktivität als Ursache der als Tremore bezeichneten niederfrequenten Schwingungen angenommen. Durch den Vergleich von seismischen Peilungen stellte sich allerdings heraus, dass die Quelle der Schwingungen wanderte. Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen konnte schließlich ein gigantischer Eisberg mit einer Fläche von 30 mal 50 Kilometern als Ursache identifiziert werden.

Die Forscher vermuten, dass innerhalb der Spalten- und Tunnelsysteme des Eisbergs strömendes Wasser elastische Schwingungen anregt, ähnlich den Schwingungen einer Orgelpfeife. „Das Verständnis dieser, vulkanischen Tremoren sehr ähnlichen Aufzeichnungen könnte umgekehrt auch den Vulkanologen helfen, die Ursachen vulkanischen Tremors besser zu erklären“, vermutet Christian Müller von der Firma Fielax GmbH. „Eisberge besitzen im Gegensatz zu komplexen Vulkansystemen eine einfachere Aufbaustruktur.“

13 Stunden Tremor
Das spektakulärste der insgesamt elf Ereignisse wurde am 22. Juli 2000 aufgezeichnet und hielt 16 Stunden an. Auslöser waren zwei kurzzeitige Erdbeben, die lokalisiert werden konnten und durch die Kollision des Eisbergs mit der Kennung B-09A mit dem Kontinentalhang erzeugt wurden. Anschließend wurden seismische Signale in einer zweistündigen Sequenz mit stark variierenden Frequenzen registriert, die von einer einstündigen seismischen Ruhephase abgelöst wurde. Darauf folgte dann harmonischer Tremor von 13 Stunden Dauer. Die seismischen Geräusche entstanden durch die Fortsetzung der Kollision des Eisbergs, der am Kontinentalhang entlangschrammte oder durch Einbrüche innerhalb des Eisbergs.

Bereits 1987 war der Eisberg vom Ross-Schelfeis losgebrochen und zweimal auf seinem Weg um die Antarktis für mehrere Jahre gestrandet, bis er im Jahr 2000 an der Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts in Richtung Westen vorüber trieb. Neben dem harmonischen Charakter war besonders die von B-09A erzeugte Intensität der Tremore auffällig. Sie wurden auf einer Entfernung bis über 800 Kilometern seismisch wahrgenommen und sind in ihrer Stärke mit vulkanischen Tremoren wie vom Mount St. Helens oder den Vulkanen auf Hawaii vergleichbar.

Der Artikel „Singing icebergs“ wird am 25. November in “Science” (Vol. 310, Issue 5752) veröffentlicht.

Ansprechpartner ist Dr. Christian Müller.

Bremerhaven, den 24. November 2005

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