07. Dezember 2021
Online-Meldung

Tauende Permafrostböden setzen große Mengen Lachgas frei

Neuartige Quelle des starken Treibhausgases im sibirischen Yedoma gefunden
Eisreiche Permafrostböden auf Bol'shoy Lyakhovsky, Neusibirische Inseln (Foto: Georg Schwamborn)

Lachgas ist nach Kohlendioxid und Methan das drittwichtigste Treibhausgas. Pro Masseneinheit wirkt es sich fast 300-mal stärkerer auf die Erderwärmung aus als Kohlendioxid. In Böden wird Lachgas durch mikrobielle Aktivität gebildet. Besonders landwirtschaftlich genutzte Flächen sind große Emissionsquellen. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts hat nun herausgefunden, dass auch tauende Yedoma-Permafrostböden Lachgas in die Atmosphäre abgeben, mehr als bisher gedacht. Seine Beobachtung beschreibt das Team in der Zeitschrift Nature Communications.

Yedoma ist eisreicher Permafrost aus dem Spät-Pleistozän (ca. 100,000 bis 12,000 Jahre vor heute), der neben Kohlenstoff unter anderem auch große Mengen Stickstoff speichert. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieser als Lachgas in die Atmosphäre gelangen, wenn der Boden taut. Unter welchen Bedingungen das Lachgas entsteht und wie viel ausgestoßen wird, ist bisher nur unzureichend erforscht.

Forschende aus Finnland, Deutschland, Russland, Österreich und Kanada konnten nun an den Flussufern der ostsibirischen Flüsse Lena und Kolyma bisher unbekannte Quellen für Lachgas finden. Das Besondere: Bei kürzlich aufgetautem Yedoma an starken Taurutschungen entlang der Flussufer konnten sie zunächst nur geringe Mengen des Treibhausgases messen, aber nachdem sich die Taurutschungen stabilisiert hatten und die Böden mehrere Jahre aufgetaut waren, stiegen die Emissionen um das 10- bis 100-fache an.

Der Anstieg hängt mit den Mikroorganismen in den Yedoma-Sedimenten zusammen, die am Stickstoffkreislauf des Bodens beteiligt sind: Je mehr die Böden austrocknen, desto größer ist der relative Anteil der Mikroben, die Vorläufersubstanzen von Lachgas (Nitrat, Stickoxid) produzieren und desto geringer ist die relative Anzahl an Mikroben, die Lachgas verbrauchen. Die Emissionen steigen also.

„Die Freisetzung von Stickstoff aus dem auftauenden Permafrost kann dessen Verfügbarkeit in arktischen Ökosystemen erheblich verbessern. In den untersuchten Taurutschungen entstanden dadurch erhebliche Mengen des hochwirksamen Treibhausgases“, sagt Maija Marushchak von der Universität von Ostfinnland, Erstautorin der Studie. „Zusätzlich zu den direkten klimatischen Rückkopplungen als Lachgas kann sich der zusätzliche Stickstoff auch auf die Kohlenstoffaufnahme durch Pflanzen und die Anreicherung von Nährstoffen in Gewässern auswirken.“

Die Untersuchungen fanden unter anderem auf der Forschungsstation Insel Samoylov im zentralen Lena Delta statt. Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) führt hier gemeinsam mit mehreren russischen wissenschaftlichen Einrichtungen seit über 20 Jahren die Lena-Expeditionen zur Erforschung der Umwelt- und Ökosystemdynamik arktischer Permafrostregionen durch. „Die entlegene Forschungsstation erlaubt unseren internationalen Forscherteams einzigartige Feldmessungen zu Treibhausgasbilanzen von arktischen Permafrostregionen zu sammeln. Mit weiteren Methoden wie der Satellitenfernerkundung und der Modellierung arbeiten wir daran, diese Beobachtungen auch für größere Regionen abzuschätzen“, sagt Guido Grosse von der AWI-Sektion Permafrost-Forschung.
 

Originalpublikation:

Marushchak et al. Thawing Yedoma permafrost is a neglected nitrous oxide source. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-021-27386-2

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