29. Juni 2005
Pressemitteilung

40 Jahre Kieselalgen

Jubiläum der Diatomeen-Sammlung am Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung

Am 1. Juli besteht der Friedrich-Hustedt-Arbeitsplatz am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven seit 40 Jahren. Mit rund 80.000 mikroskopischen Präparaten gehört die ständig erweiterte Kieselalgen-Sammlung des 1886 in Bremen geborenen Friedrich Hustedt zu den größten ihrer Art.

Weltweit stellen die auch als Diatomeen bezeichneten Kieselalgen rund ein Viertel der pflanzlichen Biomasse. Die im Süßwasser und im Meer vorkommenden, mikroskopisch kleinen Einzeller sind die bedeutendsten Biomasse- und Sauerstoffproduzenten. Durch Photosynthese wandeln sie das Treibhausgas Kohlendioxid in organische Substanz um und spielen damit eine entscheidende Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Die filigranen, von Spezies zu Spezies unterschiedlichen Schalenstrukturen sind komplex und von ästhetischer Schönheit. Einige Arten wurden Ende des 18. Jahrhunderts genutzt, um die Auflösungsfähigkeit von Mikroskopen zu testen. Wenn die Einzeller sterben, bleiben die aus Kieselerde (Siliciumdioxid) bestehenden Zellwände erhalten und sinken auf den Meeresboden oder Seeboden. Der Wissenschaft liefern die Schalen fossiler Kieselalgen wertvolle Informationen über vergangene Umwelt- und Klimabedingungen und dienen als Leitfossilien zur erdgeschichtlichen Datierung von Bodenschichten.

Friedrich Hustedt (1886-1968), Schulleiter aus Bremen, forschte ein Leben lang an den Kieselalgen und beschrieb allein rund 2.000 neue Arten. Auf Antrag des damaligen Amtes für Bodenforschung, wo man die Bedeutung seiner Arbeiten für die geologische Grundlagenforschung erkannt hatte, wurde Hustedt 1939 vom Schuldienst freigestellt und konnte sich ganz der Forschung widmen. Viele von Hustedts frühen Arbeiten beschäftigen sich mit Kieselalgen der Weser von Bremen bis Bremerhaven. 1955 publizierte er eine Arbeit über die Vielfalt der Kieselalgen anhand von Strandproben aus Beaufort, North Carolina, USA. Die weltweite Bedeutung der Diatomeen wird aus der Vielzahl der Arten ersichtlich, die sowohl hier als auch in den USA gefunden wurden. Mit der Zeit wurde die Sammlung immer umfangreicher; keine andere Person auf der Welt hat so viele Kieselalgen archiviert wie Hustedt.

„Dr. Reimer Simonsen war der erste Kurator der 1965 eingerichteten Kollektion. Diese haben wir mit dem Material von den zahlreichen Forschungsexpeditionen und dank Zusendungen von Kollegen aus aller Welt in den letzten 40 Jahren kontinuierlich ausbauen können. Heute besitzen wir eine der weltweit bedeutendsten Diatomeen Sammlungen“, erklärt Dr. Richard Crawford, derzeitiger Kurator der Sammlung. Neben den Präparaten umfasst der von Wissenschaftlern aus aller Welt genutzte Arbeitsplatz weiteres Probenmaterial und eine umfangreiche Spezialbibliothek. Seit drei Jahren werden Angaben zu Arten und Fundorten in eine elektronische Datenbank eingegeben, mit deren Hilfe Spezialisten aus aller Welt diese Informationen über das Internet schnell abrufen können (www.awi-bremerhaven.de/Research/hustedt1.html).

Die Industrie nutzt die als Kieselgur bezeichneten Schalen als feine Schleifmittel, sowie als Filtriermittel für Wein oder Bier. In den Diatomeen steckt aber noch mehr: Die Nanotechnologie interessiert sich für den Bewegungsmechanismus der winzigen Schale. Das Schalendesign ist Vorbild für Autofelgen. Und da die Omega-3-Fettsäuren der Diatomeen das Nervensystem des Menschen stärken, forscht auch die Lebensmittelindustrie an Kieselalgen. Forscher des Alfred-Wegener-Instituts untersuchen, welche Gene in den Diatomeen die wertvollen Fettsäuren produzieren.

Bremerhaven, den 29. Juni 2005