Folgen auf Umwegen
Die Ozeanversauerung allein kann den Copepoden den Versuchen zufolge also vermutlich nicht viel anhaben. Erst vor kurzem haben Barbara Niehoffs Kollegen sogar etwas Erstaunliches entdeckt, das diese Vermutung noch bestärkt: Copepoden haben ein besonderes Talent: Sie können den pH-Wert in ihrer Körperflüssigkeit regulieren.
Die AWI-Wissenschaftler konnten beobachten, dass der pH-Wert einiger Copepoden bei nur sechs lag, wenn sie ihre Winterruhe hielten. Zum Vergleich: Ein pH-Wert von sechs entspricht dem Säuregrad des menschlichen Urins. Meerwasser dagegen ist mit einem pH-Wert von acht leicht basisch. Sobald die Copepoden aber aus der Winterpause erwachten und zu fressen begannen, stieg ihr innerer pH-Wert wieder auf acht.
Gibt es also eine Entwarnung für Copepoden? Nicht ganz. Copepoden ernähren sich hauptsächlich von einzelligen Algen und deren Gemeinschaft wird sich mit dem Klimawandel wahrscheinlich verändern. So könnte zukünftig die Anzahl kleinerer Algen zunehmen. Zieht sich das Meereis zudem im Frühling früher zurück, vermehren sich auch die Algen im Frühling früher – d. h. zu einer Zeit, in der die Copepoden in den Tiefen des Arktischen Ozeans noch ihre Winterruhe halten.
Barbara Niehoffs nächste Forschungsfragen lauten deshalb: Was fressen Copepoden, wenn ihre bevorzugte Nahrung, die Kieselalgen, schon fast wieder verschwunden sind, wenn die Tiere aus der Winterruhe erwachen? Können sie auch von deutlich kleineren Flagellaten leben? Erste Versuche lassen die Biologin vermuten, dass die arktischen Copepoden hier an ihre Grenzen stoßen könnten. Denn wenn sie weniger oder qualitativ minderwertigere Nahrung aufnehmen müssen, wachsen die Tiere nicht mehr optimal und ihre Population könnte zurückgehen – mit unter Umständen schwerwiegenden Folgen für das gesamte arktische Nahrungsnetz. Auf Umwegen könnten sich Versauerung und Erwärmung somit doch noch auf die sonst so widerstandsfähigen Copepoden auswirken.