14. März 2019
Wochenbericht

Nordwärts und die erste Station

Abb. 1: Übersichtskarte mit Kursplot. (Grafik: Karte, S. Dreutter; Logo A. Purser)

In der letzten Woche haben wir uns über 60 nautische Meilen nach Norden vorgearbeitet. Unterbrochen wurde unsere Reise von einer Beprobungsstation, an der zum ersten Mal die meisten unserer wissenschaftlichen Geräte zum Einsatz kamen. Seitdem sind wir damit beschäftigt Wasser-, Sediment- und Benthosproben zu bearbeiten oder für spätere Analysen zu konservieren.

An der Station wurde auch ein Ocean Floor Oberserving and Bathymetry System (OFOBS) eingesetzt. Mit Hilfe hochauflösender Kameras sowie Multibeam und Sidescan Echoloten hat OFOBS kontinuierlich Bilder vom Meeresboden aufgenommen, die später mit den Sonardaten kombiniert eine detaillierte dreidimensionale Modellierung des Meeresbodens ermöglichen. Nach zwei Tagen Stationsarbeit nahmen wir wieder Kurs nach Norden und arbeiten uns seitdem weiter durch das Eis vor. Was unser Vorwärtskommen erschwert, ist der Eisphysik und Eisbiologie an Bord eine Freude. Im Folgenden stellen diese beiden Arbeitsgruppen sich und ihre Tätigkeiten vor.

Ich verabschiede mich daher an dieser Stelle mit vielen Grüßen im Namen aller Fahrtteilnehmer und übergebe an Christian Haas von der Meereisphysik.

Boris Dorschel – Fahrtleiter

Meereis-Gruppe

Seit wir am 22. Februar 2019 die Meereisgrenze im nordwestlichen Weddell Meer erreicht haben, begann unsere Meereis-Gruppe mit Erkundungen auf, im, unter und über dem Eis. Zu unserer interdisziplinären Gruppe aus Eisphysik und Eis-Biologie gehören Ilka Peeken, Erika Allhusen, Kerstin Jerosch, Stefanie Arndt und Christian Haas, alle vom AWI.

Unser Ziel ist es, die regionale Variabilität der Eisdicke zu vermessen; die Rolle der Schneeschmelze für die Eis-Massenbilanz, Satelliten-Signale, und Primärproduktion im Eis zu untersuchen; und das Vorkommen und die Zusammensetzung von Meereis-Organismen, Mikroplastik und anderen bio-geochemischen Substanzen im Eis zu erfassen. Jetzt, am Ende der antarktischen Sommerschmelze, erhalten wir wichtige Informationen über Schmelzprozesse während der vorhergehenden Sommersaison und ihren Einfluss auf das Meereis und den Kohlenstoffaustausch zwischen Eis und Wasser. Unsere Messungen sind die ersten Meereis-Beobachtungen in diesem Gebiert seit 2006. Deshalb können wir die jetzigen Eisbedingungen mit 2006 vergleichen und Veränderungen der Meereisdicke und des Ausmaßes des Schmelzens während der letzten Dekade untersuchen.

Wann immer die Wetterbedingungen es erlauben, werden wir für unsere Probennahmen und Messungen mit dem Helikopter ausgeflogen und auf Eisschollen abgesetzt, wo wir Schnee- und Eis-Dickenmessungen durchführten, Meerwasser unter dem Eis und im Eis beprobten, sowie Eiskerne bohrten, die für bio-physikalische Untersuchungen an Bord gebracht werden.

Außerdem unternehmen wir Helikopterflüge zur Messung der Eisdicke. Dabei wird der EM Bird, ein torpedoförmiger Eisdicken-Sensor unter dem Helikopter geschleppt und 15 m über der Eis-Oberfläche hängend, über eine Strecke von mehr als hundert Kilometern geflogen. Mit großer Unterstützung der Helikopter-Piloten und -Ingenieure konnten wir bereits acht Eisschollen beproben und vier Eisdickenflüge durchführen. Neben den Eisstationen ist die Zeit auf FS Polarstern gefüllt mit der Bearbeitung unserer Eisproben in den Kühl-Laboren an Bord und der Filtration der Wasser- und geschmolzenen Eiskern-Proben für spätere biochemische Analysen im Labor am AWI.

Erste vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die Schneebedeckung nur 20 bis 30 cm beträgt, der Schnee sehr metamorphos ist und es viel Aufeis gibt, dass sich im Sommer durch schmelzenden Schnee bildet. Die momentane Schneebedeckung ist viel geringer als die 70 bis 100 cm Schnee, die typischerweise im späten Winter in dieser Region gefunden werden. Unter der Schneeoberfläche fanden wir auch kontinuierliche, horizontale Lücken und brüchiges Eis mit vereinzeltem Vorkommen von Meereis-Algen, die auch auf die sommerliche Erwärmung des Eises zurückzuführen sind. Damit kommen diese Eisschichten hier seltener vor als in anderen Regionen des Weddell-Meeres, wo es dünneres und jüngeres Eis gibt, was die Variabilität des Meereises in unserer Forschungsregion zeigt.

Die Eisdicke auf unseren beprobten Eisschollen lag zwischen 1 m und 2,5 m. Die großflächigen Hubschraubermessungen zeigten aber Eisdicken von durchschnittlich 3 bis 4 m, inklusiv stark deformiertem Eis mit vielen Presseisrücken. Diese Eisdicke ist unverändert zu den Beobachtungen aus 2004 und 2006. Dies erklärt auch, warum Polarstern nicht weiter südlich vordringen konnte, obwohl dazu nicht nur die Eisdicke entscheidend ist, sondern auch der Eisdruck auf das Schiff, der durch die südlichen Winde verursacht wird, die das Eis gegen die Antarktische Halbinsel drücken.

Ein Highlight während unserer bisherigen acht Eisstationen war das Wiederfinden einer Eisscholle, auf der eine Schnee-Boje verankert war, die vor über einem Jahr von Steffi Arndt während der Polarstern Expedition PS111 im südwestlichen Weddellmeer ausgebracht wurde und seitdem die Schneeauflage gemessen und diese Daten per Satellit übertragen hat. Die Position der Boje wird stündlich übertragen, wodurch wir ihren Standort in der Nähe unserer Schiffsposition ausmachen konnten. Die Scholle mit der Boje driftete direkt auf unsere Schiffsroute zu und so konnten wir sie mit einem kurzen Helikopterflug erreichen. Jetzt, über ein Jahr später und nach mehr als tausend Kilometern Reise, war die ehemals große, ebene Scholle stellenweise übereinander geschoben, mit hohen Presseisrücken, und nicht wiederzuerkennen. Die bei Ausbringung der Boje durchgeführten Schnee- und Meereis-Messungen wurden jetzt auf der nun völlig anders aussehenden Eisscholle wiederholt. Die Daten geben uns die einzigartige Möglichkeit, die Veränderungen des Eises durch jahreszeitlich bedingtes Gefrieren und Schmelzen während über einjähriger Eisdrift zu dokumentieren.

Als wir die Boje auf der Eisscholle zurückließen, konnten wir die Drift der Eisscholle parallel zum Drift unseres Schiffes, das im Eis eingeschlossen war, verfolgen: Ein Paartanz von Boje und Schiff - bewegt durch Wind und Tiden…mit Punktabzug für Polarstern wegen aktivem Eisbrechens ;-)  und Flucht aus der Formation.

Trotz der ersten erfolgreichen eineinhalb Wochen Eisarbeiten sind wir etwas enttäuscht, dass wir nicht weiter in südlichere Regionen zu Larsen B und C vordringen konnten, wo wir deutliche Unterschiede in Eisschmelze und Biologie erwartet haben. Wir planten den Schnee auf dem großen Eisberg A68 zu beproben, Plättcheneis als Indikator für Schelfeis-Schmelze zu finden, und ein einzigartiges Gebiet aus mehrjährigem Festeis, das die Larsen B-Bucht bedeckt, mit dem biologisch hochproduktivem Plättcheneis zu untersuchen.

Nun hoffen wir, dass wir unsere Beobachtungen entlang eines Gradienten vom innerem Bereich des Meereisgebietes zur Eisrandzone im Nordosten fortsetzen können.

Hier erwarten wir eine starke Zunahme von Schmelze und metamorphosem Schnee, Lücken im Eis, und ein stark meereisgebundenes Ökosystem.

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