07. Dezember 2020
Pressemitteilung

Mitteleuropa:Trockenheit im April stellt Weichen für Dürre im Sommer

Forscher entschlüsseln Ursachen der Frühlingstrockenheit und zeigen Langzeitfolgen auf
Niedrigwasser der Elbe in Dresden. (Foto: © André Künzelmann (UFZ))

Mitteleuropa ist in den zurückliegenden 20 Jahren sechsmal von schweren sommerlichen Hitzewellen und Dürreperioden getroffen worden. Bislang war jedoch unklar, welche Faktoren den Grundstein für diese Extremereignisse legen. Forschende zweier Helmholtz-Zentren haben nun herausgefunden, dass in Mitteleuropa die Temperatur- und Niederschlagsmuster im Monat April maßgeblich darüber entscheiden, ob die Böden im anschließenden Sommer überdurchschnittlich trocken sind oder nicht. Ist der April zu warm und niederschlagsarm, verdunstet ein so großer Teil der im Erdreich gespeicherten Feuchtigkeit, dass eine Sommerdürre sehr wahrscheinlich wird. Eine Ursache für die wiederkehrende April-Trockenheit und die damit steigende Dürregefahr hat das Team ebenfalls identifiziert. Abnehmende Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den mittleren Breiten führen im April zu einer Verlagerung des Jetstream und der Herausbildung eines blockierenden Hochdrucksystems über der Nordsee und Teilen Deutschlands. Dieses wiederum beschert Mitteleuropa dann viel zu warmes und trockenes Aprilwetter, berichten die Forschenden in einer Studie, die heute im Nature-Fachmagazin „npj Climate and Atmospheric Science“ erschienen ist.       

Monica Ionita, Klimatologin und Expertin für Wettervorhersage am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) kann sich noch genau erinnern: Ende April 2018 war es in Bremerhaven so warm, dass sie ihrer Tochter das Planschbecken in den Garten stellte, obwohl es jahreszeitlich betrachtet noch viel zu früh war für ein Badevergnügen im Freien. Heute weiß sie, dass die damalige Frühlingshitzewelle den Anstoß dafür gab, dass der anschließende Sommer einer der trockensten in der Geschichte Mitteleuropas wurde.

„Mitteleuropa ist seit der Jahrtausendwende wiederholt von sommerlichen Hitzewellen und Dürreperioden getroffen worden, die Schäden in Milliardenhöhe verursacht haben. Diese Extremereignisse richtig vorherzusagen, scheiterte bislang jedoch daran, dass der Einfluss des Frühlings unterschätzt wurde. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, die Zusammenhänge zwischen den Wetterlagen im Frühling und im darauffolgenden Sommer genauer zu untersuchen – und zwar für den gesamten Zeitraum, in dem ausreichend Beobachtungsdaten vorlagen. Das waren am Ende die zurückliegenden 140 Jahre“, erzählt die Wissenschaftlerin.

Schlüsselmonat April: Fehlender Regen und Wärme lassen Böden austrocknen

Für die Analyse nutzten Monica Ionita und ihre Kollegen Klimamodellierungen sowie ein statistisches Verfahren, welches die AWI-Forscherin selbst entwickelt hat und bereits erfolgreich für die Langfristvorhersage von Flusswasserständen anwendet. Die Ergebnisse zeigen: Die Temperatur- und Niederschlagsentwicklung im Monat April haben sich in den zurückliegenden 14 Jahren grundlegend verändert. „Während es in den Monaten März und Mai kaum Veränderungen gab, war der Monat April im Zeitraum 2007 bis 2020 im Durchschnitt 3 Grad Celsius wärmer als im Vergleichszeitraum 1961 bis 1999. In extremen Jahren wie 2018 war der April sogar so warm, dass der im Winter gefallene Schnee im Frühling quasi direkt verdunstet ist und keine Chance hatte, in Form von Schmelzwasser im Boden zu versickern. Außerdem hat es seit 2007 in den meisten Regionen Mitteleuropas im April nur halb so viel geregnet wie im Vergleichszeitraum“, erklärt Monica Ionita.

Ausbleibende Niederschläge aber waren in den zurückliegenden 14 Jahren nur das eine Problem: „Die zunehmende April-Wärme hat dazu geführt, dass im Boden gespeicherte Feuchtigkeit verdunstet ist. Infolgedessen wiesen die Böden in Mitteleuropa, vor allem aber in Deutschland, bereits im Frühjahr ein deutliches Feuchtedefizit auf. Dieses Minus konnte in der Regel bis zum Sommer nicht mehr ausgeglichen werden. Das heißt: Die sommerliche Dürresituation der Böden wurde bereits im April vorprogrammiert“, ergänzt Dr. Rohini Kumar, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Ko-Autor der neuen Studie.

Die Ursachen der Frühlingstrockenheit in Mitteleuropa

Welche Wetterlage über Mitteleuropa aber führt neuerdings immer wieder zu Rekordwärme und -trockenheit im Frühlingsmonat April? „Unsere Analyse zeigt, dass sich in diesem Zeitraum ein blockierendes Hochdrucksystem über der Nordsee und Teilen Norddeutschlands bildet, welches den Jetstream Richtung Norden ablenkt und bis zu zwei Wochen lang für sonniges, niederschlagsarmes Wetter in Mitteleuropa sorgt“, erläutert Monica Ionita. Eine Phase mit ähnlich geringen Niederschlägen im April gab es schon mal im Zeitraum von 1881 bis 1895. Damals aber war es nicht so warm, sodass weniger Bodenfeuchtigkeit verdunstet ist und die heutzutage beobachtete Langzeitwirkung ausblieb. „Die schwerwiegenden Folgen dieser Frühjahrstrockenheit sind also maßgeblich auf die steigenden Lufttemperaturen zurückzuführen“, ordnet Monica Ionita ein.  

Ob das blockierende Hochdrucksystem auch in Zukunft das Aprilwetter in Mitteleuropa bestimmen wird, kann noch nicht eindeutig vorhergesagt werden, weil das Klima natürlichen Schwankungen unterliegt. Einen Antrieb aber haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie identifizieren können: „Eine Ursache für die Entstehung des stabilen Hochdruckgebietes sind die abnehmenden Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den mittleren Breiten im Frühling. Der für Mitteleuropa wetterbestimmende Jetstream verläuft unter diesen Bedingungen auf einem Wellenkurs und erlaubt es dem Hochdrucksystem, sich über der Nordsee festzusetzen“, sagt Monica Ionita.

Klimaszenarien zufolge werden diese Ausgangsbedingungen auch künftig gegeben sein. Allerdings wird das Hochdruckgebiet seltener entstehen (geringere Wahrscheinlichkeit), wenn es gelingt, das Pariser Klimaziel einzuhalten und die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. „Steigen die Temperaturen über dieses Ziel hinaus, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich dieses Hochdruckgebiet bildet. Der Monat April wird dann in Mitteleuropa weiterhin viel wärmer und trockener ausfallen als noch vor 20 Jahren und damit die Weichen stellen für flächendeckenden Wassermangel und ausgedörrte Böden den ganzen Sommer lang“, so die AWI-Forscherin.

„Eine solche Entwicklung wird erhebliche Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Böden und ihre damit verbundenen Ökosystemleistungen haben“, sagt Rohini Kumar und fügt hinzu: „In den zurückliegenden Jahren haben wir in ganz Mitteleuropa eine Reihe von Sommerdürren erlebt – mit schwerwiegenden Folgen für das Pflanzenwachstum. Zu verstehen, unter welchen Voraussetzungen solche Trockenperioden entstehen, ist ganz entscheidend, um rechtzeitig Vorkehrungen oder Schutzmaßnahmen treffen zu können.“

Die Forschungsarbeit der beteiligten UFZ-Wissenschaftler wurde im Rahmen des bilateralen Projekts XEROS (eXtreme EuRopean drOughtS: multimodel synthesis of past, present and future events) durchgeführt und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie durch die Czech Science Foundation gefördert.

Originalpublikation

Die Studie ist heute unter folgendem Originaltitel im Online-Portal des Nature-Fachmagazins npj Climate and Atmospheric Science erschienen:

M. Ionita, V. Nagavciuc, R. Kumar, O. Rakovec: On the curious case of the recent decade, mid-spring precipitation deficit in central Europe. npj Climate and Atmospheric Science, DOI: 10.1038/s41612-020-00153-8.