22. Dezember 2023
Online-Meldung

Interdisziplinäre Wissenschaft hilft, den Zusammenbruch des Westantarktischen Eisschildes zu verstehen

Antarctic octopus (Paraledone turqueti) taken at ANT-XXIII/8 (Foto: AWI/MARUM; University of Bremen)

Ein Wissenschaftsteam hat mithilfe von Oktopoden-DNA herausgefunden, dass das Westantarktische Eisschild (WAIS) wahrscheinlich während der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 125.000 Jahren zusammengebrochen ist - als die globalen Temperaturen ähnlich hoch waren wie heute. Dies sei ein empirischer Beweis dafür, dass der Kipppunkt dieses Eisschildes selbst unter den Zielen des Pariser Abkommens, die Erwärmung auf 1,5 - 2°C zu begrenzen, erreicht werden könnte. Die in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie wurde von der australischen James Cook University in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team von Biologen, darunter Dr. Felix Mark vom Alfred-Wegener-Institut, und Geologen durchgeführt.

Das internationale Forschungsteam verglich die genetischen Profile von Antarktischen Kraken, die im Weddell-, Amundsen- und Rossmeer vorkommen. Ihr Ergebnis: Die heutigen antarktischen Kraken-Populationen weisen genetische Verbindungen auf, die bis in die letzte Zwischeneiszeit zurückreichen. Proben der Weddellmeer-Population hatte Dr. Felix Mark vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf mehreren Polarstern-Expeditionen genommen. „Diese genetische Konnektivität wäre nur möglich, wenn es während der letzten Zwischeneiszeit zu einem vollständigen Zusammenbruch des Westantarktischen Eisschilds (WAIS) gekommen wäre und sich dadurch Meeresstraßen geöffnet hätten, die die heutigen Weddell-, Amundsen- und Rossmeere miteinander verbinden“, sagt Dr. Sally Lau von der James-Cook-Universität in Australien. „Dies hätte es den Oktopoden ermöglicht, über die offenen Meerengen zu gelangen und genetisches Material auszutauschen, was wir in der DNA der heutigen Populationen sehen können.“

Prof. Jan Strugnell, leitende Forscherin an der James-Cook-Universität, erläutert: „Der Westantarktische Eisschild ist deshalb so wichtig, weil er derzeit immer schneller schmilzt und zum größten Verursacher des globalen Meeresspiegelanstiegs werden könnte. Ein vollständiger Zusammenbruch könnte den globalen Meeresspiegel um 3 bis 5 Meter ansteigen lassen. Wenn wir verstehen, wie der WAIS in der jüngsten Vergangenheit konfiguriert war, als die globalen Temperaturen ähnlich hoch waren wie heute, können wir die Prognosen für den künftigen Anstieg des Meeresspiegels verbessern.“ Letztmalig seien vor 125.000 Jahren die globalen Durchschnittstemperaturen bis zu 1,5°C wärmer als vor der Industrialisierung gewesen und der globale Meeresspiegel habe damals 5 bis 10 Meter höher als heute gelegen.

 

Originalpublikation:

Sally C. Y. Lau, Nerida G. Wilson, Nicholas R. Golledge, Tim R. Naish, Phillip C. Watts, Catarina N. S. Silva, Ira R. Cooke, A. Louise Allcock, Felix C. Mark, Katrin Linse, Jan M. Strugnell: Genomic evidence for West Antarctic Ice Sheet collapse during the Last Interglacial, Science (2023). DOI: 10.1126/science.ade0664

Die Studie wurde im Rahmen des Forschungsprogramms „Instabilities and Threshold's in Antarctica“ (INSTANT) des Scientific Committee on Antarctic Research (SCAR) konzipiert und unterstützt. Weitere Informationen (in englischer Sprache) gibt es in dieser SCAR-Pressemitteilung: https://scar.org/scar-news/programmes/instant-news/wais-collapse

 

 

Kontakt

Wissenschaft

Felix Mark
+49(471)4831-1015

Pressestelle

Folke Mehrtens
+49(0)471 4831-2007