Die Krill-Biomasse im Südlichen Ozean ist heute auf einen Bruchteil einstiger Bestände geschrumpft. Die ehemals äußerst produktiven, von Kieselalgen dominierten Gebiete haben sich seit den 1930er Jahren zu einem klassischen eisenbeschränkten, nährstoffreichen, chlorophyllarmen, mikrobiell dominierten Zustand gewandelt, wie er heute für große Teile der Meeresoberfläche charakteristisch ist. Das beschreiben Forschende um Matthew Scott Savoca in der aktuellen Nature-Ausgabe und Victor Smetacek, emeritierter Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut kommentiert die Ergebnisse in einem „News and Views“ Beitrag der wissenschaftlichen Fachzeitschrift.
Der Antarktische Krill, Euphausia superba, kann enorme Biomasse erreichen. Eine aktuelle Nature-Studie stellt neue Berechnungen vor, dass die Art vor ihrem starken Rückgang bis zu einer zehntel Gigatonne (100 Millionen Tonnen) Kohlenstoff gebunden hat, das bedeutet umgerechnet ungefähr eine Gigatonne Lebendgewicht (also 1 Milliarde Tonnen) und damit etwa doppelt so viel, wie die Masse aller Menschen oder auch aller Kühe auf der Erde. Davon hat der frühere Walbestand jährlich etwa 400 Millionen Tonnen Krill gefressen - im Vergleich: Der weltweite Fischfang beträgt seit Jahrzehnten etwa 130 Millionen Tonnen. Nach der beinahe Ausrottung der Wale durch den Menschen begann jedoch auch ein starker Rückgang des Krills: Die letzten großen Oberflächenschwärme, die den Ozean rot färbten, wurden in den frühen 1980er Jahren beschrieben.
„Die Beseitigung eines Räubers geht häufig mit einem Anstieg seiner Beute einher, so dass dieser Rückgang des Krills zunächst überraschen mag,“ sagt Prof. Dr. Victor Smetacek, der am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) geforscht hat. „Jedoch stehen diese Beobachtungen im Einklang mit einem Modell, welches beschreibt, dass Wale Eisenrecycling betreiben, das das Wachstum der Krillpopulationen unterstützt“, so der Fachmann weiter.
Smetacek hatte bereits im Jahr 2005 in Nature veröffentlicht, dass die biologische Produktivität des Südlichen Ozeans durch die Eisenversorgung gesteuert wird. In der aktuellen Studie untermauern die Autoren um Matthew Scott Savoca von der Stanford Universität nun diese Hypothese. Die Wale haben durch den Verzehr von eisenreichem Krill und die Abgabe ebenfalls eisenreicher Fäkalienfahnen ins Oberflächenwasser das Wachstum von Phytoplankton und damit die Verfügbarkeit von Nahrung für den Krill erheblich gesteigert. Eisen ist im Meerwasser fast unlöslich, und der Großteil dieses für produktive Ökosysteme wichtigen Elements ist in lebender Biomasse enthalten. Dadurch können Krillpopulationen als gigantischer, mobiler Eisenspeicher fungieren, was ein wesentlich produktiveres Ökosystem tragen könnte, als wir es heute im Südlichen Ozean mit einer stark reduzierten Walpopulation vorfinden.