25. Juni 2021
Wochenbericht

Menschliche Fußabdrücke und ein Résumée

Abb. 3: Eisbedeckung in der östlichen Framstraße (Foto: Simon Escalle)

Wie im letzten Wochenbericht angekündigt, wollen wir heute von den Arbeiten einer Arbeitsgruppe an Bord berichten, die sich auf dem Hin- und Rückweg sowie vor Ort, am HAUSGARTEN-Observatorium, mit den Einflüssen menschlicher Aktivitäten beschäftigt.

Die Verschmutzung der Meere, die den gesamten Weltozean inklusive seiner Küstenbereiche betrifft, ist in den letzten Jahren zu einem drängenden Thema in der Politik und der allgemeinen Öffentlichkeit geworden. Zivilisationsmüll finden wir mittlerweile in den entlegensten Meeresgebieten, so auch im Arktischen Ozean. Die Analyse von Meeresboden-Fotographien, die ursprünglich von uns gewonnen wurden, um Veränderungen in der Zusammensetzung und Verteilung größerer Meeresbodenbewohner im Bereich des HAUSGARTENs dokumentieren zu können, ergab einen etwa 30-fachen Anstieg größerer mit den Meeresströmungen verfrachteter Müllobjekte (z.B. Plastiktüten, Netzreste) zwischen 2004 und 2017. Die Menge dieser Objekte entspricht – erschreckenderweise – dabei jener, die auch in einem ozeanischen Grabensystem vor Portugal’s Hauptstadt Lissabon vorgefunden wurde. Die dramatische Entwicklung in unserem Observatorium hat uns bewogen, ein spezielles Projekt aufzulegen, in dem der größere Zivilisationsmüll sowie Mikroplastikkonzentrationen in den verschiedenen Kompartimenten des polaren marinen Ökosystems (Atmosphäre, Schnee, Meereis, Wassersäule, Sedimente) erfasst und zeitliche Trends in den Daten ermittelt werden sollen.

Mikroplastik-Partikel konnten in allen Bereichen nachgewiesen werden. Unter anderem wurden in der Schneeauflage der Eisschollen sehr hohe Konzentrationen von Mikroplastik festgestellt, so dass wir annehmen müssen, dass sehr viele Plastikpartikel mit dem Wind eingetragen werden. Um die Konzentration von Mikroplastik in der Luft zu ermitteln, wurden auf der aktuellen Expedition spezielle Sammelgeräte im „Krähennest“ der Polarstern, einem Observationsposten im Mast weit über dem höchsten Deck des Schiffes installiert. Von den Messungen während der An- und Abreise in das bzw. aus dem Untersuchungsgebiet HAUSGARTEN erhoffen wir uns Erkenntnisse über großflächige Verteilungsmuster in der Mikroplastik-Verschmutzung und damit verbundener Transportprozesse gewinnen zu können. Moderne Analysemethoden werden angewendet, um die Flugbahnen der Partikel zu rekonstruieren, um auf diese Weise eine Vorstellung zu bekommen, wo die Ursprungsgebiete der Mikroplastik-Verschmutzung liegen könnten.

Damit wollen wir die Berichterstattung über die vielfältigen wissenschaftlichen Arbeiten während der Polarstern-Expedition PS126 beenden und wir hoffen, dass wir einen guten Überblick über unsere Aktivitäten am LTER (Long-Term Ecological Research) Observatorium HAUSGARTEN sowie während der An- und Abreise in das bzw. aus dem Untersuchungsgebiet geben konnten. Am späten Abend des 21. Juni haben wir unsere diesjährigen Feldarbeiten beendet und uns auf den Heimweg nach Bremerhaven gemacht, wo die Expedition in den Nachmittagsstunden des 27.06. enden wird.

Im Gegensatz zu vorangegangenen Expeditionen in die Framstraße, haben uns die ungewöhnlichen Eisverhältnisse in diesem Jahr erheblich zu schaffen gemacht. Sehr große, relativ stationäre und sehr dichte Felder einjähriger Eisschollen (bis 100% Eisbedeckung) in östlichen Teilen der Framstraße sowie z.T. riesige, mehrjährige Eisschollen, die mit außergewöhnlich hoher Geschwindigkeit (1-2 Knoten) in westlichen Bereichen der Wasserstraße zwischen Grönland und Spitzbergen an uns vorbei zogen, haben den Einsatz unseres autonomen Unterwasserfahrzeugs (AUV) und geschleppter Geräte wie dem Ocean Floor Observation and Bathymetry System (OFOBS) sehr schwierig und zeitweise unmöglich gemacht und die sichere Bergung von eingesetzten Freifallgeräten (Bottom-Lander) stark beeinträchtigt. Gleichzeitig musste die Polarstern ihre Geschwindigkeit den vorherrschenden Eisverhältnissen anpassen, so dass für den Transit zwischen den HAUSGARTEN-Stationen häufig mehr Zeit als üblich benötigt wurde. All dies führte in letzter Konsequenz dazu, dass kontinuierlich wertvolle Forschungszeit verloren gegangen ist und wir gegen Ende der Reise einzelne Aktivitäten aus unserem ursprünglichen Arbeitsplan streichen mussten.

Nichtsdestotrotz, wurden während dieser Reise Unmengen physikalischer, geochemischer und biologischer Daten gewonnen, die den Datensatz unserer Langzeituntersuchungen erweitern und uns helfen werden, die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels auf das arktische Ökosystem besser verstehen zu können. Darüber hinaus waren wir in der Lage unsere mit Abstand teuersten Geräte, die im Rahmen unserer Langzeit-Untersuchungen zum Einsatz kommen, erfolgreich abzubergen: die beiden autonomen Meeresbodenfahrzeuge TRAMPER und NOMAD. Beide Fahrzeuge waren für volle zwei Jahre in der Tiefsee vor Grönland und Spitzbergen unterwegs und haben sich eine wohlverdiente „Atempause“ und umfassende Grundüberholung verdient, bevor sie im nächsten Jahr ein weiteres Mal für ein paar Monate auf die Reise geschickt werden.

Im Namen aller Expeditionsteilnehmer bedanke ich mich bei Kapitän Stefan Schwarze und seiner Mannschaft für ihre Gastfreundschaft, die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die großartige Atmosphäre an Bord. Der Polarstern-Besatzung und dem HeliService-Team gilt unser Dank für die professionelle Unterstützung, die wir auf dieser Reise erfahren haben.

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit der Familie, den Freunden und Bekannten und hoffen auf sommerliche Wärme nach unserer Rückkehr.

Mit den besten Grüßen von Bord,

Thomas Soltwedel

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