Im November 2017 endet der deutsche Forschungsverbund zur Ozeanversauerung BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification, Biologische Auswirkungen von Ozeanversauerung) nach acht Jahren intensiver wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Experimente und Analysen, die mehr als 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 20 deutschen Forschungsinstitutionen durchgeführt haben, belegen: Ozeanversauerung und -erwärmung, kombiniert mit anderen Umweltfaktoren, beeinträchtigen das Leben im Meer und gefährden für Menschen wichtige Ökosystemleistungen. Eine Broschüre fasst die Hauptergebnisse des Projekts für Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit zusammen. BIOACID-Mitglieder besuchen auch die Weltklimakonferenz COP23 in Bonn.
Als gigantischer Kohlenstoff-Speicher hat der Ozean etwa ein Drittel des Kohlendioxids aufgenommen, das seit Beginn der Industrialisierung durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangt ist. Doch im Meerwasser löst das Treibhausgas chemische Reaktionen aus – der Ozean versauert. Ozeanversauerung beeinträchtigt Ökosysteme und wertvolle Leistungen des Ozeans für die Menschheit. Hierzu zählen die Regulierung des Klimas, die Versorgung mit Nahrung, die Erholung sowie die Artenvielfalt als Voraussetzung für intakte und funktionsfähige Ökosysteme.
„Wir müssen uns als Teil eines globalen Systems erkennen und verstehen, in welchem Ausmaß wir auf das Meer und seine Dienstleistungen angewiesen sind. Weil jeder in dieser globalen Gemeinschaft vom Klimawandel betroffen sein wird, ist es zu unserem eigenen Vorteil, wenn es gelingt, die Kohlendioxidemissionen so zu reduzieren, dass die globale Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius begrenzt wird“, sagt Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinator von BIOACID. „Die Zukunft unseres Planeten hängt von uns ab. Wäre es nicht eine große Errungenschaft, wenn das Anthropozän, das Zeitalter der menschlichen Dominanz auf der Erde, als eine Ära des Umdenkens und der Verhaltensänderung in die Geschichte eingeht?“
Laut Hans-Otto Pörtner, Ko-Koordinator von BIOACID, Meeres-Ökophysiologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC, müssten alle Länder ihre Kohlendioxidemissionen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts drastisch reduzieren, wenn sie die Pariser Klimaziele erreichen möchten. „Der aktuelle Weltklimabericht zeigt deutlich, dass Netto-Null-Emissionen eine Voraussetzung dafür sind, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Die Verringerung der CO2-Emissionen allein reicht jedoch möglicherweise nicht aus. Die Netto-Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre müsste dazu beitragen. Dies ist technisch bereits möglich, aber die Herausforderung besteht darin, die Technologien entsprechend weiter zu entwickeln und in ausreichendem Umfang bereit zu stellen. Je später Emissionen reduziert werden und je länger dieser Prozess dauert, desto schwieriger und kostspieliger wird es, die Ziele zu erreichen.“
Die BIOACID-Ergebnisse im Überblick
- Veränderungen im Karbonat-System des Ozeans beeinflussen den Säure-Basen-Ausgleich mariner Lebewesen und können Schlüsselprozesse wie die Kalkbildung beeinträchtigen.
- Viele Organismen können der Ozeanversauerung entgegenwirken. Sie könnten diese Fähigkeit jedoch verlieren, wenn sie gleichzeitig anderen Stressfaktoren wie Erwärmung, Überdüngung, Sauerstoffverlust, einem sinkenden Salzgehalt oder Verschmutzung ausgesetzt sind.
- Die Reduzierung regionaler Einflüsse wie Nährstoffeintrag oder Sauerstoffverlust können die Auswirkungen globaler Stressfaktoren wie Ozeanversauerung und -erwärmung abmildern.
- In einer natürlichen Lebensgemeinschaft können die Auswirkungen von Stressfaktoren auf eine Art durch Veränderungen in den biotischen Wechselbeziehungen, wie etwa Konkurrenz, Fraß oder Parasitismus, verstärkt oder abgemildert werden.
- Selbst kleine Veränderungen an der Basis des Nahrungsnetzes können sich auf höhere Ebenen auswirken.
- Lebewesen können sich durch Evolution an Ozeanwandel anpassen und negative Einflüsse teilweise kompensieren. Weil die Ozeanversauerung für natürliche Verhältnisse extrem schnell voranschreitet, können jedoch nur Organismen mit sehr kurzen Generationszeiten, etwa Mikrooganismen, mit den Veränderungen Schritt halten.
- Etwa die Hälfte der tropischen Korallenriffe kann erhalten werden, wenn Kohlendioxid-Emissionen so begrenzt werden, dass die globalen Temperaturen um nicht mehr als 1,2 Grad Celsius ansteigen. Hierbei sind aber zusätzliche Risiken etwa durch Ozeanversauerung noch nicht einbezogen.
- Ozeanversauerung verringert die Fähigkeit des Ozeans, Kohlenstoff zu speichern.
- Der Klimawandel verändert das Vorkommen wichtiger Beutetiere von Fischen und kann damit ihr Wachstum und ihre Reproduktion beeinflussen.
- Ozeanversauerung und -erwärmung verringern die Überlebensraten junger Lebensstadien einiger Fischarten. Dies wird wahrscheinlich den Nachwuchs von Fischbeständen und damit letztlich auch die Fischereierträge reduzieren.
- Die Verbreitung und die Häufigkeit von Fischarten verändern sich. Dies hat deutliche Konsequenzen für die Wirtschaft, von der kleinskaligen Küstenfischerei bis hin zur Tourismusbranche.
- Es ist unerlässlich, dass Ozeanversauerung und -erwärmung im Management von Fischbeständen und Meeresgebieten berücksichtigt werden.
- Ein Handeln nach dem Vorsorgeprinzip erscheint angemessen, wo wissenschaftliche Ansätze Risiken für die Umwelt oder die Menschheit – einschließlich kommender Generationen –nahelegen. Auch wenn die Ausmaße möglicher Risiken noch nicht vollständig verstanden sind, sollten vorsorglich Maßnahmen ergriffen werden, um die Bedrohung zu vermeiden oder zu verringern.
- Ein nachhaltigeres Leben und Wirtschaften ist nur im Wechselspiel von Gesellschaft, Unternehmen und Politik zu erreichen. Ein politischer Rahmen sollte den raschen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vorschreiben. Für jeden Einzelnen ist wichtig, neue Normalitätsvorstellungen einzuüben und das Verhalten im Alltag anzupassen.
Über BIOACID
Seit 2009 haben mehr als 250 BIOACID-Mitglieder von 20 deutschen Forschungsinstituten untersucht, wie unterschiedliche Meeresorganismen auf Ozeanversauerung und steigende Konzentrationen von Kohlendioxid (CO2) reagieren, wie ihre Leistungsfähigkeit in verschiedenen Lebensstadien beeinflusst wird, wie sich ihre Reaktionen auf die marinen Nahrungsnetze und Stoffkreisläufe auswirken und ob diese durch evolutionäre Anpassung abgemildert werden können. Die Forschenden führten kontrollierte Laborexperimente und großskalige Feldstudien mit ausgewählten Schlüsselarten und marinen Lebensgemeinschaften in einer Vielzahl an Lebensräumen in Nordsee und Ostsee, dem Atlantik, der Arktis, vor Papua Neu-Guinea und an anderen Orten durch. Zusätzlich zur Ozeanversauerung berücksichtigten viele BIOACID-Arbeiten auch andere Stressoren wie Erwärmung, Sauerstoff-Verlust, Überdüngung und Überfischung.
Mit rund 580 fachlich begutachteten Publikationen trug BIOACID maßgeblich zum internationalen wissenschaftlichen Diskurs bei. Das Projekt wurde von Prof. Dr. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, und Prof. Hans-Otto Pörtner, Meeres-Ökophysiologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Co-Chair der Arbeitsgruppe II des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), koordiniert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte das Projekt über drei Förderphasen mit insgesamt 22 Millionen Euro.
Die BIOACID-Broschüre:
„Dem Ozeanwandel auf der Spur. BIOACID – Biological Impacts of Ocean Acidification"
BIOACID bei COP23:
6.-17. November 2017: Informationsstand in der Bonn Zone
6. November 2017, 14:30-15:30 Uhr, Deutscher Pavillon: „Linking the ocean with climate protection - ocean acidification as a conjunctive matter“
11. November 2017, 12:30-13:30 Uhr, Deutscher Pavillon: German Science Hour: Our ocean future: marine ecosystems under climate change. Podiumsdiskussion mit Wilfried Kraus (BMBF), Prof. Hans-Otto Pörtner (IPCC, AWI – tbc), Prof. Ulf Riebesell (GEOMAR) und Dr. Sebastian Ferse (ZMT).