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Seit 40 Jahren fährt das Forschungsschiff Polarstern in die Arktis und Antarktis und gibt Menschen aus aller Welt die Chance, in den extremsten Regionen des Planeten sicher und effektiv zu forschen. Es hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik Deutschland rasch nach dem Beitritt zum Antarktisvertrag als Konsultativmitglied eine führende Rolle in der Polar- und Meeresforschung erreicht hat. Damit diese auch in Zukunft auf höchstem wissenschaftlichem und technischem Niveau möglich ist, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), in die Lage versetzt, den Bau eines modernen, leistungsfähigen und nachhaltigen Nachfolgeschiffs auszuschreiben und zu koordinieren. Mit dem Beschluss des Bundeshaushalts 2022 durch den Deutschen Bundestag am 3. Juni 2022 konnte das Vergabeverfahren starten. Das AWI hat die europaweite Ausschreibung für den Neubau umgehend veröffentlicht, sodass der Teilnahmewettbewerb als erster Schritt des Vergabeverfahrens am 8. Juni 2022 gestartet worden ist. Mit der Auswertung des Teilnahmewettbewerbs ist die Bewerbungsphase für interessierte Werften im September 2022 abgeschlossen worden. Aufgrund des geheimen und komplexen Wettbewerbes sind weitere Informationen zum Stand des Vergabeverfahrens für die neue Polarstern voraussichtlich nicht vor Ende 2023 zu erwarten. Die Inbetriebnahme des neuen Schiffs ist für 2027 geplant. Für einen möglichst lückenlosen Übergang soll die notwendige Klassifikation – der so genannte Schiffs-TÜV – der Polarstern bis Ende 2027 verlängert werden.
Als Forschungs- und Versorgungsschiff der Neumayer-Station III in der Antarktis ist die Polarstern eine zentrale Säule der deutschen Polarforschung. Seit seiner Indienststellung am 09. Dezember 1982 hat das Forschungsflaggschiff der Bundesrepublik Deutschland mehr als 1,8 Millionen Seemeilen zurückgelegt – und damit rechnerisch mehr als 82-mal die Erde am Äquator umrundet. Seit 1981 gehört die Bundesrepublik Deutschland dem Antarktisvertrag als Konsultativstaat an. Das hohe Ansehen der deutschen Polarforschung und ihrer international herausragenden Forschungsplattform trägt wesentlich dazu bei, dass Deutschlands Engagement für Umwelt- und Klimaschutz in den Polarregionen unter den Vertragsstaaten Gewicht hat. Dank einer Generalüberholung von 1999 bis 2001 zählt die Polarstern auch nach 40-jähriger Dienstzeit noch immer zu den leistungsfähigsten Forschungsschiffen der Welt. Zuletzt hat sie bei extremen Wetter- und Eisbedingungen die einjährige Drift-Expedition MOSAiC am Nordpol absolviert.
Damit das AWI und die internationale Wissenschaftsgemeinde auch in den kommenden und für die Zukunft des Planeten entscheidenden Jahrzehnten Polar- und Meeresforschung auf höchstem Niveau betreiben können, hat das BMBF zugestimmt, dass das AWI das Vergabeverfahren für den Neubau des multifunktionalen eisbrechenden Polarforschungs- und Versorgungsschiffs Polarstern durchführt. Das AWI wird zudem die Bauaufsicht führen sowie die Inbetriebnahme der neuen Polarstern nach erfolgter Erprobung koordinieren. Danach soll der neue Forschungseisbrecher die derzeitige Polarstern vollständig ersetzen.
Dazu erklärt Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger:
„Ich freue mich sehr, dass der Weg für den Bau der neuen Polarstern nun frei ist. Damit kann die deutsche Meeres- und Polarforschung nahtlos an die Erfolge der Polarstern anknüpfen, wie die MOSAiC-Expedition in die Arktis. Die Polarregionen sind ein Frühwarnsystem für die Folgen des Klimawandels. Sie erlauben uns einen tiefen Blick hinein in die Zukunft unseres Klimas und Wetters. Es ist deshalb existenziell wichtig, dass wir die Vorgänge an den Polen noch besser verstehen. Denn gute Klimaforschung ist die Grundlage für besseren Klimaschutz. Die neue Polarstern wird als leistungsfähiges und nachhaltiges Forschungsschiff einen wichtigen Beitrag dazu leisten.“
„Das Ziel des Neubauprojekts ist ganz klar: Wir wollen ein Forschungsschiff bauen, das wie sein Vorgänger der internationalen Wissenschaft eine Basis bietet und die Möglichkeit eröffnet, in den extremsten Umfeldern der Welt den Puls unseres Planeten zu fühlen“, sagt AWI-Direktorin Prof. Dr. Antje Boetius. „Das neue Schiff ist dabei auch ein wichtiger internationaler Beitrag Deutschlands zur UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung, um die globalen Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 zu erreichen. Außerdem soll die neue Polarstern dank modernster Ausstattung und klimafreundlicher Technik zu einer Botschafterin für Nachhaltigkeit in der Schifffahrt werden.“
Koordiniert wird die Bauführung des neuen Forschungs- und Versorgungsschiffes von einem neu gebildeten AWI-Projektteam unter Leitung des Luft- und Raumfahrtingenieurs Detlef Wilde. „Die einzigartige Polarstern hat in 40 Jahren hohe Maßstäbe gesetzt“, sagt Detlef Wilde. „Wir wollen diese Messlatte überspringen und der Wissenschaft mit der neuen Polarstern ein modernes, leistungsfähiges und nachhaltiges Schiff und damit eine mehr als würdige Nachfolgerin liefern.“ Der erste Schritt des Vergabeverfahrens sei nun der demnächst beginnende Teilnahmewettbewerb, erläutert Detlef Wilde. Dabei ist eine europaweite Ausschreibung vergaberechtlich vorgeschrieben. „Die geeigneten Bewerber werden wir nach erfolgreichem Abschluss des Teilnahmewettbewerbes zur Abgabe von Angeboten auffordern.“
Die neue Polarstern wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt die Möglichkeit geben, insbesondere aus den Polarregionen entscheidende Erkenntnisse zu dem tiefgreifenden Klimawandel zu gewinnen, in dem unser Planet steckt. Ziel ist es, Lösungen zu finden, um das ökologische Gleichgewicht der Polargebiete und Meere für künftige Generationen zu erhalten. In das Anforderungsprofil sind die Erfahrungen aus 40 Jahren Polarstern-Betrieb eingeflossen.
Die neue Polarstern wird unter sich verändernden Eis- und Witterungsbedingungen einsetzbar sein, damit das AWI langfristig seinen Forschungsauftrag erfüllen kann, vor allem in den kalten und gemäßigten Regionen der Welt die komplexen Prozesse im System Erde zu entschlüsseln. So wird das Forschungsschiff, das wie sein Vorgänger weiterhin die Bundesdienstflagge führen wird, eine höhere Eisbrechleistung besitzen, damit es auch in die wenigen Gebiete vordringen kann, in denen das Eis für die heutige Polarstern zu dick ist, etwa das südliche Weddellmeer in der Antarktis. Die neue Polarstern soll eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren haben und auch im Eis überwintern können. Sie muss modernstes Großgerät für tiefe Sedimentbohrungen beherbergen können und wird über einen sogenannten „Moonpool“ verfügen, eine geschützte Rumpföffnung im Schiff, damit komplexe Tauchroboter auch unter dem Eis tauchen können.
„Wir brauchen ein leistungsfähiges Schiff, das unter allen Eisbedingungen in Arktis und Antarktis einsetzbar ist und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit gibt, Beobachtungen und Daten aus den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen zu liefern“, so Antje Boetius. „Dies sind Erkenntnisse, die unsere Gesellschaft dringend benötigt, um die richtigen Entscheidungen zu Klima-, Umwelt- und Naturschutz zu treffen – für die Zukunft der Polarregionen, der Lebensvielfalt an Land und im Meer und für kommende Generationen.“
Nicht zuletzt soll die neue Polarstern für Innovation und Nachhaltigkeit in der Forschung stehen und muss dazu höchste Energieeffizienz- und Umweltstandards erfüllen – etwa durch eine deutliche Reduzierung der Stickstoffoxid-(NOx)- und Partikelemissionen durch den Einsatz von Abgasnachbehandlungsanlagen und Partikelfiltern. Dabei muss gewährleistet sein, dass die neue Polarstern auch in extremen Regionen fernab jeder Versorgung sicher, effizient und verlässlich betrieben werden kann.
„Nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens und erfolgter Zuschlagserteilung sollte die Arbeit auf der ausgewählten Werft 2023 beginnen“, sagt Detlef Wilde. „Nach eingehenden Testfahrten auch im Eis ist die Inbetriebnahme des neuen Schiffs für 2027 geplant.“
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