26. Februar 2003
Pressemitteilung

Um Mitternacht gen Norden

„Polarstern” reist zum Winterexperiment in die Arktis

Am 28. Februar nachts um 24 Uhr sticht „Polarstern“, der Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), wieder in See. Die 19. Arktisreise hat eine ungewöhnliche Mission: Um die Prozesse bei der Eisbildung im arktischen Winter zu untersuchen, fährt „Polarstern” gezielt in eisfreie Gebiete. In diesen so genannten Polynjas bildet sich das meiste Eis der Arktis, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Ozeanfläche ausmachen.

Polynjas wurden vor einigen Jahren auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als sich genau am Nordpol eine Polynja gebildet hatte. Solche eisfreien Gebiete entstehen durch Wind, der die Eisdecke aufreißt und Eisschollen zu Presseisrücken übereinander schiebt. Sie können auch dort entstehen, wo warme Meeresströmungen das Eis von unten schmelzen.

Meereisbildung und Meeresströmungen
Wo das Meereis geschlossen ist, wirkt es wie eine Isolierschicht, die Wasser und Atmosphäre voneinander trennt. In den offenen Stellen finden Prozesse statt, die Einfluss auf das gesamte Klimasystem im arktischen Ozean haben. „Polarstern“ wird in der Gegend um Spitzbergen und in der Barentssee gezielt Stellen aufsuchen, an denen sich Polynjas befinden und dort die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Eis und Ozean untersuchen. Dazu werden gleichzeitig Messungen in Atmosphäre und Meerwasser vorgenommen und Meereisdicken in der unmittelbaren Umgebung der Polynjas bestimmt.

Wirbel in der Grönlandsee
Die Grönlandsee ist ein Gebiet, in dem in jedem Winter oberflächennahes Wasser zum Meeresboden absinkt. Das neu entstandene Bodenwasser spielt eine große Rolle bei der weltweiten Zirkulation der Meeresströmungen. Das Absinken geschieht jedoch nicht regelmäßig. Es wurden Wirbel mit einem Durchmesser von 10 bis 20 Kilometer entdeckt, in deren Zentrum Oberflächenwasser bis zum Meeresboden vordringen kann. Ein solcher Wirbel kann über Jahre existieren. „Polarstern” wird einen solchen Wirbel aufsuchen und vermessen. Die physikalischen Eigenschaften des Meerwassers in der Umgebung des Wirbels und entlang eines Schnittes auf dem 75. nördlichen Breitengrad werden bestimmt, um die Bildung des Bodenwassers in der Grönlandsee besser zu verstehen.

„Polarstern” in der Eisdrift
Zur Erforschung der atmosphärischen Bedingungen über dem winterlichen Meereis selbst wird sich „Polarstern“ für zwei Wochen vom Packeis einschließen lassen und mit dem Packeis driften. Mit Radiosonden-Aufstiegen und der Wetterstation an Bord werden Wetterdaten erfasst. Gleichzeitig messen Wissenschaftler die Lufteigenschaften in der bodennahen Grenzschicht direkt über dem Meereis sowie Temperaturprofile in der Schnee- und Eisschicht. An diesem Vorhaben beteiligen sich das finnische Forschungsschiff „Aranda” und das deutsche Forschungsflugzeug „Falcon”. Zusammen mit zehn automatischen Bojen und verschiedenen Satellitenmessungen wird ein umfangreicher Datensatz entstehen, mit dem die Wissenschaftler Computermodelle für die Wechselwirkung zwischen Meereis und Atmosphäre überprüfen und weiterentwickeln.

Leben im Winter
Auch die Lebewesen der Arktis sind im Winter wenig erforscht. So ist von vielen Arten des Zooplanktons bekannt, dass ältere Tiere den Winter in tieferem Wasser verbringen. Im Frühjahr findet man die jungen Entwicklungsstadien dann in der Planktonblüte in den oberen Wasserschichten. Von „Polarstern” aus werden Wissenschaftler die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Packeis und in den oberen Wasserschichten untersuchen. Im Meereis und darunter werden die physikalischen Bedingungen des Lebensraumes gemessen und das winterliche Nahrungsangebot, das zum Beispiel aus Eisalgen besteht, untersucht.

Die Fahrt ist in zwei Abschnitte gegliedert. In Longyearbyen auf Spitzbergen geht am 24. April ein neues wissenschaftliches Team an Bord. Am 4. Mai läuft „Polarstern” wieder in Bremerhaven ein.

Bremerhaven, den 26. Februar 2003

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