19. Arktische Forschungsreise erfolgreich beendet
Am 13. Oktober 2003 kehrt die „Polarstern“, der Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI), nach einem 20-wöchigen Forschungsaufenthalt in den Gewässern der Arktis zurück nach Bremerhaven. Über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 11 Nationen nutzten die 118 Meter lange „Polarstern“ während zweier Expeditionsabschnitte zwischen Mai und Oktober 2003 zur Erforschung biologischer, geologischer und ozeanographischer Prozesse westlich von Irland, in der arktischen Tiefsee und den Fjorden Ostgrönlands.
Mit „Victor 6000“ in die Tiefe
Von Bremerhaven nahm die „Polarstern“ am 22. Mai 2003 Kurs Richtung Brest, um in der französischen Hafenstadt das unbemannte Tiefseefahrzeug „Victor 6000“ des Meeresforschungsinstituts Ifremer (Institut français de recherche pour l´exploitation de la mer) an Bord zu nehmen.
„Victor 6000“ ist ein vier Tonnen schwerer unbemannter Tauchroboter, der in Tiefen von bis zu 6000 Meter vordringen kann. Dort wird er mit Hilfe von mehreren ferngesteuerten Kameras dirigiert, und kann mit zwei Greifarmen und verschiedenen Messgeräten Organismen, Sediment- oder Wasserproben entnehmen sowie den Meeresboden vermessen. Mit dem Einsatz von „Victor 6000“ wurden westlich von Irland die Entstehung und Lebensweise von Tiefsee-Korallen, der Håkon Mosby-Schlammvulkan in der arktischen Tiefsee sowie der AWI-"Hausgarten" in 2600 Metern Tiefe untersucht. Die Tiefsee-Expedition wurde am 7. August in Tromsø beendet und „Victor 6000“ ging von Bord.
Deutsch-französische Zusammenarbeit
Der Einsatz des französischen „Victor 6000“ auf der deutschen „Polarstern“ ist ein Beispiel hervorragender internationaler wissenschaftlicher Kooperation. Nachdem im Juli 2001 zwischen dem AWI und Ifremer ein „Memorandum of understanding“ unterzeichnet wurde, setzt das Bremerhavener Institut die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Frankreich fort. Im Mai 2003 wurde ein Kooperationsvertrag zwischen dem AWI und dem IPEV (Institut Polaire Francaise Paul Emile Victor) unterschrieben und die Verschmelzung der deutschen und französischen Arktis-Stationen in Ny Ålesund/Spitzbergen zu einer deutsch-französischen Station verkündet.
Vom 14. bis 20. Oktober 2003 findet in Frankreich die „Fête de la Science“ statt: eine Großveranstaltung zur öffentlichen Präsentation von Wissenschaft. Auf Einladung des französischen Wissenschaftsministeriums werden das AWI und das Ifremer die gemeinsame Tiefsee-Expedition vorstellen.
„Polarstern“ in den Fjorden vor Ostgrönland
Am 10. August starteten von Tromsø 45 Wissenschaftler aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, Holland und Schweden unter der Leitung des AWI zu einem weiteren Teil der „Polarstern“-Expedition in die Arktis. Auf dem Programm standen geologische, physikalische, biologische und ozeanographische Untersuchungen vor der Küste sowie auf den Inseln Ostgrönlands.
Den Mittelpunkt der ersten Hälfte der Grönlandreise bildeten seismologische Untersuchungen des Kontinentalrandes von Ostgrönland, mit dem Ziel, das Ausmaß der vulkanischen Aktivität bei der Trennung von Grönland und Norwegen vor ca. 55 Millionen Jahre zu bestimmen. Mit Hilfe von künstlichen Schallquellen auf „Polarstern“ (Pulsern) und speziellen Empfängern (Ozeanbodenseismometer), die auf dem Meeresboden abgesetzt sowie auf dem Festland Grönlands installiert wurden, konnten Teile der bis zu dreißig Kilometer dicken Erdkruste abgetastet werden.
Von „Polarstern“ auf die Insel
Während der Expedition in das Nordpolarmeer arbeiteten die Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Wilfried Jokat (AWI) nicht nur auf dem Wasser. Eine Gruppe von Geologen der Universität Leipzig und der Forschungsstelle Potsdam des AWI wurden für drei Wochen samt ihrer Ausrüstung per Helikopter von der „Polarstern“ auf der Insel Store Koldewey vor Ostgrönland abgesetzt. Auf dieser Insel untersuchten die Geologen mehrere kleine Süßwasserseen, deren Sedimente Informationen über die Ausdehnung des grönländischen Eisschildes während der letzten Eiszeit enthalten. Biologinnen nahmen in Süßwasserseen Wasserproben, um die Struktur und Funktionsweise des mikrobiellen Nahrungsnetzes in diesen Gewässern zu erforschen.
Ozeanographie in der Framstraße
Den Abschluss der 19. Arktisreise der „Polarstern“ bildeten ozeanographische Arbeiten in der Framstraße. Dieses Meeresgebiet zwischen Spitzbergen und Nordgrönland ist mit 2600 Meter Wassertiefe die einzige Tiefwasserverbindung zwischen dem Nordpolarmeer und dem Europäischen Nordmeer. Durch diese Straße gelangt über einen Golfstrom-Ausläufer warmes salzreiches Wasser aus dem Süden in das Nordpolarmeer und bestimmt dort die Eigenschaften des Meerwassers.
Eine Verschiebung dieser Meeresströmungen könnte Ursache für den Temperaturanstieg im Nordpolarmeer sein, der im letzten Jahrzehnt beobachtet wurde. Um dies zu überprüfen, haben Ozeanographen des AWI seit 1997 autonome Messgeräte auf dem Grund der Framstraße verankert, die kontinuierliche Messreihen liefern und jährlich ausgewechselt werden müssen.
Das Forschungsschiff „Polarstern“ wird am 13. Oktober in Bremerhaven erwartet und für eine weitere Expedition in die Antarktis vorbereitet, die am 22. Oktober beginnt.
Bremerhaven, den 8. Oktober 2003