Rückkehr aus der Ostantarktis

Forschungseisbrecher Polarstern in Bremerhaven erwartet
[10. Mai 2024] 

Nach über einem halben Jahr kehrt der Forschungseisbrecher Polarstern von einer erfolgreichen Antarktissaison in seinen Heimathafen Bremerhaven zurück. Ozeanographie und Geologie der Ostantarktis sowie die studentische Ausbildung waren Schwerpunkte der Expeditionen auf der Südhalbkugel und dem Transit dorthin. Wegen dieses für die Polarstern besonderen Fahrtgebiets fand ein Personalwechsel in Hobart statt, was den ersten Hafenanlauf in Australien in ihrer über 40-jährigen Geschichte darstellt. 

Die Gletscher der Ostantarktis gelten im Vergleich zu denen im Westen als relativ stabil. Im Zuge der globalen Erwärmung verändern sich jedoch neben der Meereisbedeckung auch die Meeresströmungen. Während Ersteres beispielsweise durch Satellitenbeobachtungen gut sichtbar ist, lässt sich Letzteres am besten vor Ort durch direkte Messungen in der Wassersäule sowie ausgebrachte Bojen oder Verankerungen messen. In der vergangenen Antarktissaison erforschten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Polarstern im Rahmen der EASI-Expeditionen die aktuellen Strömungsverhältnisse und die Zusammensetzung der Wassermassen in großer Detailschärfe. Zusätzlich nahmen sie Proben vom Meeresgrund, denn in diesen Sedimentkernen sind Informationen über die Strömungsverhältnisse in der Erdgeschichte enthalten. 

Vom Denman-Gletscher in der Ostantarktis (Position etwa 66° Süd, 100° Ost) fuhr die Polarstern bis 45° Süd ungefähr 2000 Kilometer nach Norden. Etwa alle 100 Seemeilen (185 Kilometer) nahmen die Expeditionsteilnehmenden an insgesamt zehn Stationen Wasserproben und bestimmen Sauerstoff- und Salzgehalt, Tiefe und Temperatur des Ozeans von der Oberfläche bis zum Meeresboden. Im Anschluss zogen sie Sedimentkerne. „Einen solch langen Schnitt mit regelmäßigen hochauflösenden Proben aus Wassersäule und Sediment durch nahezu alle klimatisch wichtigen Bereiche des Antarktischen Zirkumpolarstroms konnte meines Wissens aus diesem Teil des Indischen Ozeans zuvor noch nie gewonnen werden“, sagt Dr. Marcus Gutjahr, Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel, und Fahrtleiter der EASI-2-Expedition. 

„Aus den Sedimentkernen können wir die Lage des Antarktischen Zirkumpolarstroms in der Ostantarktis in den vergangenen etwa 800.000 Jahren beschreiben“, ergänzt Dr. Oliver Esper, Mariner Geologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Co-Fahrtleiter der Expedition. Das ist besonders relevant, denn die Fronten des Antarktischen Zirkumpolarstroms verschieben sich in Kaltzeiten tendenziell nach Norden, in wärmeren nach Süden. „Wir konnten bestätigen, dass bereits heute warmes Wasser den Denman-Gletscher erreicht und ihn von unten schmelzen lässt, was zu einem Anstieg des globalen Meeresspiegels führt. Das ist ein Zustand, den Klimamodelle für weitere Gebiete in der Ostantarktis bei voranschreitender globaler Erwärmung in den kommende Dekaden prognostizieren. Aus den Sedimentkernen können wir nach den jetzt anstehenden Laboranalysen schließen, wie schnell sich die Meeresströmungen in der Erdgeschichte verlagert haben. So können wir die Prognosen zum zukünftigen Meeresspiegelanstieg verbessern.“

Im Anschluss an die EASI-2-Expedition und Feierlichkeiten zum ersten Hafenanlauf der Polarstern in Australien führte die EASI-3-Expedition von Hobart nach Walvis Bay (Namibia) unter Leitung von Prof. Dr. Sebastian Krastel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel). Hier lag der Fokus noch stärker auf der Geologie der Ostantarktis: Mit geophysikalischen Methoden wurden die Gletscherrückzüge älterer Klimate untersucht. Über den Aufbau der Sedimentschichten können die Forschenden über 50 Millionen Jahre in die Erdgeschichte zurückblicken. Außerdem erfasste ein Landteam unter Leitung der TU Dresden mit globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) hochpräzise die Bewegung der Erdkruste, die sich als Reaktion auf vergangene und heutige Eismassenänderungen zeigt. Zusammen mit geophysikalischen Messungen sollen die Daten dazu beitragen, die Deformation und den inneren Aufbau der Erde im Bereich Ostantarktikas besser zu verstehen.

Vor rund einem Monat startete Polarstern dann den Rücktransit durch den Atlantik unter Leitung von Simon Dreutter, der mit einem kleinen Team aus der AWI-Bathymetrie mit den schiffseigenen Loten den Meeresboden für das GEBCO Seabed 2030-Projekt kartierte. Der Umgang mit diesen Loten war im vergangenen Herbst auf dem Transit in Richtung Süden Thema auf einer Fahrt des Alfred-Wegener-Instituts zur studentischen Ausbildung im Rahmen der Graduiertenschule POLMAR unter Leitung von Dr. Claudia Hanfland. 

Die Sedimentkerne und weitere Fracht werden ab Montag von der Polarstern entladen. Das Schiff soll planmäßig gegen 17:00 Uhr am 12. Mai 2024 in Bremerhaven einlaufen und die kommenden vier Wochen für routinemäßige Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Lloyd Werft verbringen, bevor es Anfang Juni Richtung Arktis auslaufen soll. 

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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.