Tauwetter an den Permafrostküsten der Arktis

Prof. Dr. Hugues Lantuit, Leiter der Arbeitsgruppe Permafrost-Küsten und Professor an der Universität Potsdam.

Permafrost

Arktische Küstenprozesse

Geochemie der arktischen Küstengebiete

Die Permafrostküsten der Arktis machen 34 Prozent der weltweiten Küstenlinie aus und stellen eine wichtige Schnittstelle zwischen Land, Meer und Mensch dar. Diese Küstengebiete weisen eine hohe biologische Vielfalt und Produktivität auf und unterstützen die Lebensweise der indigenen Gemeinschaften. Gleichzeitig sind arktische Permafrostküsten ein besonders wärmeempfindsames Gebiet. Steigende Luft- und Wassertemperaturen sowie zunehmende Wetterextreme hinterlassen hier deutliche Spuren, indem sie den Boden auftauen, das schützende Meereis schmelzen und viele Steilklippen in sich zusammenfallen lassen. Die Folgen dieser Entwicklung sind dramatisch: Die Küstenerosion steigt und führt an einigen Küstenabschnitten in Kanada zu einem Rückzug von mehr als 20 Meter pro Jahr. Überschwemmungen nehmen zu, vielerorts sackt der Untergrund in sich zusammen. Küstenbewohner müssen umgesiedelt werden und Kulturstätten und wichtige Infrastrukturen gehen verloren.

Der Permafrostboden enthält zudem riesige Mengen gefrorener Tier- und Pflanzenreste, die sich bei ihrer Freisetzung durch Erosion direkt auf das Ökosystem der Küsten auswirken oder in Treibhausgase umgewandelt werden können. Der Transfer dieses Materials von Land ins Meer kann die Primärproduktion in den Küstengewässern ankurbeln und/oder zur Freisetzung von Treibhausgasen führen, welche wiederrum die globale Erwärmung weiter anheizen. Alle diese Prozesse sind jedoch nur unzureichend erforscht und werden im globalen Klima- und Erdsystem nicht berücksichtigt, so dass weitere Forschung unabdingbar ist.

Wir befassen uns mit diesen Fragen und ihren Auswirkungen in ganzheitlich ausgerichteten Forschungsprojekten, an denen Forschende und lokale Stakeholder in mehreren Gemeinden entlang der arktischen Küste beteiligt sind. Unser geographischer Schwerpunkt liegt dabei auf der Inuvialuit-Gemeinde Aklavik im Nordwesten Kanadas. Bei unserer Forschung kombinieren wir die Möglichkeiten der Vor-Ort-Messungen, Beobachtungen aus Flugzeugen und Satellitenbildern und nutzen die Informationen von Messinstrumenten, welche von Schiffen ausgesetzt werden, und aus Boden- und Sedimentproben. Wir arbeiten mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt und aus vielen verschiedenen Disziplinen zusammen und verfolgen gemeinsam das Ziel, die Folgen dieser dramatischen Veränderungen für die physikalischen, biologischen, sozioökonomischen und kulturellen Gegebenheiten der arktischen Küste zu verstehen.