Die zweite große Herausforderung, vor der Meeresbewohner stehen, ist die Ozeanversauerung. Wie wirkt sich diese auf die Organismen aus?
Bei der Ozeanversauerung reichert sich das Kohlendioxid im Meerwasser an und dringt in die Körper der Meeresbewohner ein. Dort senkt es den pH-Wert der Körperflüssigkeiten und verursacht Störungen im Stoffwechsel und bei Muscheln, Schnecken, Seeigeln und Korallen zum Beispiel auch Störungen in der Bildung von Kalkschalen. Bei den Schalenbildnern nimmt die so genannte Kalzifizierung ab und damit ihre Fähigkeit, kräftige Schalen als Stützelemente oder zum Schutz vor Fressfeinden aufzubauen. Gerade Korallen sind hier wichtig, da sie großräumige Ökosysteme bauen. Sie gehören zu den Ingenieuren der Meere, die Lebensräume für andere Arten schaffen. Diese Lebensräume sind aktuell durch Erwärmung, Versauerung, aber auch durch die örtliche Verschmutzung und durch einwandernde Arten bedroht.
Profitieren denn auch einige Arten von der Ozeanversauerung?
Es gibt Arten, die von der Ozeanversauerung profitieren. Dazu gehören vor allem Arten, die Kohlendioxid aufnehmen, Photosynthese betreiben und wie Makroalgen und Seegräser keine Kalkschalen bauen. Wenn eine Algenart zeitgleich Kalkstrukturen bildet, dann ist auch hier wieder ihr Leistungsvermögen beeinträchtigt.
Die Arktis wird in der Klimadebatte oft mit dem „Kanarienvogel in der Kohlenmine“ verglichen. Gilt diese Metapher auch beim Thema Ozeanversauerung?
Wir können davon ausgehen, dass sich die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration weltweit etwa ausgleicht. Wir müssen allerdings berücksichtigen, dass die Löslichkeit von Kohlendioxid je nach Wassertemperatur unterschiedlich ist. Das Gas löst sich nicht nur bei niedrigen Wassertemperaturen besonders gut, sondern auch dort, wo das Meerwasser durch die Eisschmelze oder verstärkte Niederschläge verdünnt, sozusagen ausgesüßt wird. Aus beiden Erkenntnissen lässt sich ableiten, dass die Arktis besonders betroffen ist, denn hier kommen beide Prozesse zusammen. Auch die Meere der Antarktis sind aufgrund niedriger Temperaturen als besonders betroffen zu nennen.
Sie haben bereits gesagt, dass verschiedene Arten sehr unterschiedlich auf die Effekte des Klimawandels reagieren. Können Sie etwas dazu sagen, wie sich die Veränderungen auf die Ökosysteme insgesamt auswirken?
Die unterschiedliche geographische Verschiebung von Arten führt dazu, dass Ökosysteme sich zunehmend durchmischen. In den höheren Breiten nimmt beispielsweise die Artenvielfalt zu. Gleichzeitig wird es dort aber zu einer Verdrängung der vormals einheimischen Arten kommen, weil sie empfindlich auf den Klimawandel reagieren, und weil viele neue Arten mit der Erwärmung einwandern und mit ihnen konkurrieren. Wenn sich zudem die sauerstoffarmen Zonen ausbreiten, werden die Bereiche kleiner, in denen größere Tiere, darunter Fische, leben können. Dies führt zu einer stark verarmten Artengemeinschaft und einer Dominanz von Einzellern und Bakterien.